Konzert – Gelungen und gefährdet: Ein Abend mit Mendelssohn eröffnet das Rheingau-Musik-Festival

Schöne Musik in schwierigem Umfeld – das hat das Auftaktkonzert des 27. Rheingau-Musik-Festivals am Samstag in der Eberbacher Klosterkirche geboten.

KLOSTER EBERBACH.
Endlich gehe es ein bisschen weiter im Alphabet, ist hier und dort unter den anderthalbtausend Besuchern zu hören. Also mal kein Mahler zum Auftakt des Festivals, das bis zum 13. September eine seiner Hauptspielstätten im ehemaligen Zisterzienserkloster hat. Stattdessen werden in bewährter Besetzung – das HR-Sinfonieorchester ist für das Eröffnungskonzert gesetzt – ausschließlich Werke von Felix Mendelssohn gespielt, aus dessen „Lobgesang“ ja auch der Pausenruf des Festivals geborgt ist.

Alles passt auf geradezu wundersame Weise zusammen. William Shakespeares 450. Geburtstag, eines der 2014er Leitthemen im Rheingau, wird mit Mendelssohns Bühnenmusik zum „Sommernachtstraum“ abgedeckt; das Orchester ist, was Frühromantik betrifft, über jeden Zweifel erhaben, und der Mann an der Spitze bringt einige Schlüsselqualifikationen für die Disziplin Mendelssohn mit.

Paavo Järvi, der die Radiosinfoniker seit 2006 geformt und mit ihnen Jahr für Jahr Gustav Mahler beim Festival gespielt hat, kehrt nach seiner Entpflichtung gleich wieder als „Conductor Laureate“ zurück und steuert wie gewohnt Genauigkeit und das Bestehen auf Klarheit bei.
Und doch gibt es bei Spielbeginn Sorgen wegen eines sehr großen Unbekannten. Die Klosterkirche nämlich ist kein Raum für Elfen, die Mendelssohn so gern tanzen lässt, sondern einer für Titanen. Mahlers flächiger Sound kleidet ihn mühelos aus, Mendelssohn funktioniert ganz anders, auch wenn Järvi im HR-Interview die Nähe beider Komponisten betont hat.

Erstaunlich unangefochten bleibt gerade der „Sommernachtstraum“, bei dem nur die vier Motto-Akkorde partout nicht gleichzeitig gelingen wollen. Beim „Con moto tranquillo“ fließt Hörner-Honig durch die Basilika, kompakt wirken die Sätze mit Gesangsbeiträgen des Estnischen Philharmonischen Kammerchors und der Sopranistinnen Miah Persson und Golda Schultz, Rüpeltanz und Hochzeitsmarsch vermitteln immerhin den Eindruck, wie ein Forte bei diesem Komponisten klingen soll.

Einzig das Scherzo nimmt Schaden an der Akustik: Mit zunehmender Entfernung zur Bühne legt sich ein Bass-Brummton über die Filigranarbeit der meist über die Maßen guten Bläser des Frankfurter Orchesters. Ihnen verdankt auch die Ouvertüre „Das Märchen von der schönen Melusine“ Spannkraft und Eleganz, doch ein Teil ihres wohligen Blubberns entschwindet ins Gewölbe.

Das alles schmälert nicht den Verdienst, ein stimmiges Programm mit einer Rarität ersonnen zu haben. Und es ist ja auch nicht so, dass am Samstag zum ersten Mal Werke der orchestralen Mittelgewichtsklasse im Kloster Eberbach aufgeführt wurden.

Mit Mendelssohns erster Sinfonie steht es an diesem Ort lange Zeit zum Besten. Bemerkenswert gut klingen das feingliedrige Menuett und die zarten Bläser-Soli mit Streicherbegleitung im Finale. Erst wenn es dort recht laut werden soll, ist zu merken: Da geht noch was. Anderswo.

 

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