Vorschlag Anmod: Mit dem Ausdruck singendes Volk können sich die Esten identifizieren. Um ihren Protest gegen die Sowjetunion auszudrücken, versammelten sich Ende der 80er Jahre hunderttausende von Menschen auf dem sogenannten Sängerfeld in Tallin, um patriotische Lieder zu singen. Der Anlaß für diese Massenveranstaltung war aber keine spontane Zusammenkunft, sondern das traditionsreiche Laulupidu (gesprochen Lalupidu), das Sängerfest, bei dem Chöre aus dem ganzen Land in die Hauptstadt reisen und in Trachten gekleidet durch die Straßen zum Sängerfeld ziehen. Ein alle fünf Jahre stattfindendes nationales Großereignis, das seine Wurzeln im Jahr 1869 hat.


Der Gesang nimmt im Alltag der Esten einen großen Raum ein und der bekannteste Chor, der Estnische Philharmonische Kammerchor, gibt während des Festivals Festival “Scene: Estland, Lettland, Litauen” in NRW zwei Konzerte in Münster und Köln. Anlaß für Barbara Overbeck  mit Studenten aus Estland und dem Dirigenten des Estonischen Philharmonischen Chores, Paul Hillier, über die Sangeslust der Esten zu sprechen. Fünfzehn Jahre nach der Öffnung des Landes.   


 


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MUSIK 2: CD/ Baltic Voices 2


Chormusik wird gepflegt und kultiviert. Jede Schule hat ein oder mehrere Chöre, in jedem Dorf finden sich wöchentlich zahlreiche Laien und semiprofessionelle Ensembles zur Probe zusammen, die Besten werden dann zum Sängerfest in die Hauptstadt entsandt. An der Spitze der Chorpyramide steht der Estnische Philharmonische Kammerchor, der hier mit einem Werk von Urmas Sisask, Jahrgang 1960, zu hören ist. 1981 gegründet, dirigierte zwanzig Jahre Tönu Kaljüste diesen Chor, vor fünf Jahren übernahm der Engländer Paul Hillier die Leitung. Auch er war überrascht über die große Auswahl an zeitgenössischem Repertoire. 


 


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MUSIK 3: CD/ Baltic Voices 3 


Solche Klänge wie die Meditation von Erkki Sven Tüür bleiben den Spitzenchören vorbehalten und werden in Konzerten oder auf CD‘s interpretiert. Doch bei den kommenden Auftritten in Münster und Köln hat der Estnische Philharmonische Kammerchor neben Werken von Arvo Pärt und Toivo Tulev auch die religiösen Folksongs von Kyrillus Creek (Kräk) im Gepäck. Er war der erste Komponist, der estnische Volksmusik sammelte und archivierte. Die Folklore nimmt einen großen Raum in der estnischen Musikkultur ein, wie lange noch, darüber kann auch Paul Hillier nur spekulieren.