Anmerkungen zum Eröffnungskonzert der Zeitinsel Arvo Pärt

 

Die Rückkehr zur Stille und Spiritualität sind Momente, die Arvo Pärt auch heute zu den beliebten Komponisten der Gegenwart machen. Das Konzerthaus Dortmund widmet ihm die Zeitinsel 2023/24 – ein kurzes, viertägiges Festival, auf dem nicht nur Werke und das kompositorische Umfeld vorgestellt, sondern auch Hören und Wirken der Klangwelten Pärts beleuchtet und zur Diskussion gestellt werden. Das Eröffnungskonzert spürte der Suche, dem kompositorischen Werdegang des Komponisten nach.

Einleitend erklang das Werk „Spiegel im Spiegel“, das Pärt 1978 kurz vor seiner Abreise aus Estland komponierte. Es ist eine schlichte, immer wieder das harmonische Fundament in Erinnerung rufende, wehmütig stimmende Komposition. Klavier (Marrit Gerretz-Traksmann) und Cello (Leho Karin) begleiten einander, fließen dahin. Die Zeit scheint still zu stehen, wenn das Klavier ein aufsteigendes Dreiklangsmotiv wiederholt, während das Cello in Tonschritten um die Terz kreist.

Bruchlos schloss sich sodann die 1964 komponierte „Collage über B-A-C-H“ an. Stilsicher und ausdrucksstark führte das Tallinn Chamber Orchestra mit Manuel Bilz (Oboe) und Marrit Gerretz-Traksmann (Cembalo und Klavier) den Kontrast barocker und avantgardistischer Klangwelten vor Augen. Es begegnen sich schrille Cluster und unverfälschte barocke Verzierungskunst – eine schroffe, scheinbar unversöhnliche Auseinandersetzung neuer und alter Musik.

„Solfeggio“, 1963 entstanden, erklang sodann als a cappella Chorwerk dieser Schaffensperiode.

Als Ergebnis der Rückbesinnung auf Kompositionstechniken des Mittelalters und der Renaissance, entstand „Für Alina“ im Jahre 1976. Das schlichte, asketische Klavierstück zeigt, wie sich Stimmen nach festen Regeln der Kon- und Dissonanzbehandlung eigenständig bewegen, entwickeln und markiert den Wendepunkt im Schaffen Arvo Pärts.

In „Veni Creator“ in der Fassung für gemischten Chor und Streicher aus dem Jahre 2009 entfaltet der Estnische Philharmonische Kammerchor sodann seine ätherische, spirituelle Strahlkraft. Gemeinsam mit dem Tallinn Chamber Orchestra präsentieten die schlank und homogen geführten Stimmen einen dynamisch und rhythmisch differenzierten, ausdrucksstarken Hymnus auf den heiligen Geist.

Dass Arvo Pärt in seiner religiösen Seelenmusik auch die Tradition alter, russisch-orthodoxer Kirchenmusik aufgreift, wurde in dem abschließenden Werk „Te Deum“ für drei Chöre, (präpariertes) Klavier, Tonband (Windharfe) und Streicher von 1985 deutlich. Engelsgleiche, schlank und homogen geführte Soprane scheinen hier und da über mystisch angehauchten, dunkel gefärbten Männerstimmen zu schweben, die von zwei Kontrabässen, Tonband-Windharfe und Bordunfundament gestützt werden.

Als Zugabe erklang das „Vater unser“ aus dem Jahre 2005.

 

Kritik von Ursula Decker-Bönniger
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